Aktenzeichen BGH VI ZR 166/08
Welche Rechte hat ein Tierarzt?
Tierärzte haben einen riskanten Beruf. Sie können gebissen, getreten oder von ihren Patienten gegen die Wand gequetscht werden. Doch sie handeln nicht auf eigene Gefahr: Vielmehr muss der Pferdebesitzer dafür einstehen, wenn der Veterinär bei der Behandlung des Tiers verletzt wird.
In dem konkreten Fall rief die Eigentümerin eines Pferds den Arzt, um eine Infektion behandeln zu lassen. Als der Tierarzt versuchte, bei dem Pferd Fieber zu messen, keilte es aus und traf dessen Hand so unglücklich, dass der Mann einen Trümmerbruch am rechten Daumen erlitt. Der Arzt verlangte daraufhin von der Pferdebesitzerin Schadenersatz. Als die Frau sich weigerte, ging der Arzt vor Gericht. Zwei Instanzen schmetterten die Klage zunächst ab.
Weder das Landgericht Bochum noch das Oberlandesgericht (OLG) Hamm sprachen dem verletzten Veterinär Ersatzansprüche zu. Zwar hafte die Frau für den Tritt ihres Pferds grundsätzlich als Tierhalterin nach § 833 Bürgerliches Gesetzbuch, betonten die OLG Richter. Der Tierarzt habe jedoch auf eigene Gefahr gehandelt und müsse daher auch selbst für die Folgen einstehen. Ihm sei bewusst gewesen, dass er sich einer besonderen Gefahr aussetze, die durch seine Tätigkeit noch gesteigert oder gar erst provoziert werden könne. Da der Tierarzt die Behandlung des kranken Pferds übernommen habe, müsse er auch das berufstypische Risiko tragen.
Der Bundesgerichtshof als letzte Instanz sah das anders: Zwar seien in ganz eng begrenztem Rahmen Ausnahmefälle denkbar, in denen die Tierhalterhaftung wegen Handelns auf eigene Gefahr ausgeschlossen sei. In diesem Fall aber nicht: Der Tierarzt habe die Behandlung aufgrund der vertraglichen Absprache mit der Pferdebesitzerin durchgeführt. Deswegen liege bereits kein „Handeln auf eigene Gefahr“ im Rechtssinne vor. Dies sei nämlich nur dann der Fall, „wenn sich der Handelnde in eine Situation drohender Eigengefährdung begibt, ohne dass dafür ein triftiger – also rechtlicher, beruflicher oder sittlicher – Grund vorliegt“, so entschied der Bundesgerichtshof (BGH).

